Die Vermessung des Finanzplatzes
Die Vermessung des Finanzplatzes
Hier gehen die meisten Banker und Aufseher in Frankfurt zur Arbeit.
Von Tobias Fischer, Frankfurt
An Deutschlands bedeutendstem Finanzplatz ticken die Uhren anders. Im Trend wächst die Zahl der Bankbeschäftigten seit Jahren und Jahrzehnten, derweil sie im Rest des Landes schrumpft. In den Zentralen in Frankfurt führen die Institute ihre Spezialisten für Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Regulierung zusammen, wohingegen in der Fläche Filialen und Stellen abgebaut werden. Auch Finanzaufseher und -regulierer sind stark vertreten und haben über die Jahre Personal aufgestockt.
Etwa 69.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte zählen die Experten der Helaba in Frankfurts Banken, in Bundesbank und Börse. Nicht eingerechnet sind die Mitarbeiter von EZB und anderen Aufsichtsinstitutionen, von Versicherungen und Fondshäusern. Damit arbeitet gut jeder Zehnte der Mitte 2021 bundesweit knapp 625.000 Beschäftigten des Sektors in Frankfurt. Nach Einschätzung der Helaba werden es noch mehr, bis die Zahl der Bankmitarbeiter Ende 2024 mit 69.700 einen Höchststand erreichen und dann wieder abnehmen dürfte.
Zunehmende Bedeutung
„Im Hinblick auf die Bankenbranche gewinnt der Finanzplatz Frankfurt immer mehr an Bedeutung", sagt Finanzplatz-Expertin Ulrike Bischoff von der Helaba. "Die Main-Metropole gilt ohnehin nicht nur als die Nummer eins im deutschen Bankwesen, sondern auch als Place to be in der Bankenwelt.“ Die hohe Dichte an in- und ausländischen Akteuren unterschiedlicher Tätigkeitsfelder führt ihr zufolge zu Agglomerationseffekten und Effizienzgewinnen.
Finanzplatz-Expertin Ulrike Bischoff, HelabaMit Hinblick auf die Bankenbranche gewinnt der Finanzplatz Frankfurt immer mehr an Bedeutung.
Zu den Charakteristika, die unverzichtbar für die auf Dauer erfolgreiche Positionierung des Standortes in der Finanzwelt seien, zählt Bischoff nicht nur die Banken, sondern auch Börsen und finanzbezogene Institutionen wie beispielsweise Aufsichtsbehörden, entsprechende Bildungs- und Forschungseinrichtungen sowie die standortspezifischen Qualitäten.
Sieben der zehn größten Banken
Von den nach Bilanzsumme zehn größten Banken in Deutschland haben sieben ihre Zentralen in Frankfurt. Zusammen kommen Deutsche Bank, DZ Bank, KfW, Commerzbank, J.P. Morgan SE, Helaba und ING Deutschland auf 3,9 Bill. Euro, was 35% der gesamten deutschen Banken-Bilanzsumme von 11 Bill. Euro entspricht.
Der Brexit hat das Gewicht der Auslandsbanken in Frankfurt verstärkt. Von den Ende 2022 etwa 200 Auslandsbanken in Deutschland haben laut Helaba 111 ihren Hauptsitz in der Finanzplatzregion Frankfurt, und viele wollen sich personell verstärken, so etwa Goldman Sachs Bank Europe, J.P. Morgan SE, Citigroup Global Markets Europe und die Standard Chartered Bank.
Wichtiger Aufsichtshub
Auch als Aufsichtshub hat sich Frankfurt einen Namen gemacht. Von den insgesamt 5.200 Beschäftigten der EZB arbeiten etwa 1.700 für den Aufsichtsarm. Annähernd die Hälfte der zum Jahresende 2022 alles in allem 10.284 Vollzeitstellen der Deutschen Bundesbank sind in Frankfurt zu finden. Wegen der Sanierung des Stammsitzes in der Wilhelm-Epstein-Straße sind die Mitarbeiter im Bankenviertel verstreut. Von den 2.900 Beschäftigten der Finanzaufsicht BaFin arbeiten mehr als 900 in Frankfurt. Dort sind auch die Leitungen von Wertpapieraufsicht sowie von Abwicklung und Geldwäscheprävention angesiedelt.
Die Deutsche Börse Gruppe wiederum beschäftigt von 14.250 Mitarbeitern rund 3.000 in Frankfurt und Eschborn, davon den Großteil in der Zentrale in Eschborn. Darunter befinden sich auch 380 Mitarbeiter von Clearstream und rund 500 der Eurex.
Umzüge stehen bevor
Der Finanzplatz bleibt in Bewegung. Zahlreiche Umzüge sind in den nächsten Jahren geplant. Die Deutsche Bank zieht ihre Mitarbeiter – abgesehen von den Filialen – an drei Standorten zusammen, wie eine Sprecherin erklärt: in der Konzernzentrale, in der Mainzer Landstraße und in der Theodor-Heuss-Allee. Das Technische Zentrum Eschborn (TZE) soll bis Ende Ende 2024 aufgegeben werden.
Die Commerzbank wird die Lateral Towers Frankfurt (LTF) bis Ende April 2025 räumen. Der Stellenabbau im Zusammenhang mit der Strategie 2024 sei so gut wie beendet, sagt eine Sprecherin. In den kommenden Jahren werde mit einem in etwa gleichbleibenden Personalbestand im Konzern geplant, so auch in Frankfurt.
Frankfurter Sparkasse macht der Kulturmeile Platz
Die DekaBank verlässt das Trianon in der Mainzer Landstraße, alle Mitarbeiter von dort werden Juni 2024 in das neue Hochhaus Four ziehen. Die DWP Bank zieht es im Sommer 2026 von der Wildunger Straße 14 in die Kölner Straße 5. Universal Investment verlegt den Firmensitz innerhalb Frankfurts von der Theodor-Heuss-Allee 70 in die Europa-Allee 92, und Citigroup plant – wie im Sommer 2022 verkündet –, in der zweiten Jahreshälfte 2024 in ein neues Bürogebäude am Börsenplatz umzuziehen und den Standort im Reuterweg aufzugeben. Mit dem jüngsten Beschluss für eine Kulturmeile und den Neubau eines Schauspielhauses an der Neuen Mainzer Straße wird das Hauptgebäude der Frankfurter Sparkasse weichen, folglich steht der Umzug an.
Neue Bleibe für EZB-Aufsicht und ISSB
Die EZB-Bankenaufsicht will Ende 2025 ihre beiden innerstädtischen Standorte, Eurotower und Japan Center, aufgeben und ins nahe gelegene Galileo ziehen. Und der grüne Standardsetzer ISSB beabsichtigt, sich 2024 eine neue Bleibe in der City für 35 bis 45 Mitarbeiter zu suchen.
Der Versicherungsregulierer EIOPA teilt auf Anfrage mit, dass der Mietvertrag im Westhafen Tower bis Mitte 2028 läuft und zu gegebener Zeit ein Vergabeverfahren eingeleitet werde, um eine Lösung für die Zeit danach zu finden. „Ob wir in vier, fünf Jahren in ein neues Gebäude innerhalb Frankfurts umziehen werden, hängt vom Ergebnis dieses Ausschreibungsverfahrens ab“, sagt eine Sprecherin.
Frankfurt hofft auf die Ansiedlung der geplanten Anti-Geldwäsche-Behörde AMLA. Als mögliche Standorte wurden Messeturm, Turm 185 und Flow-Bürogebäude am Flughafen präsentiert.