„Der Markt ist verwundbar“
Wolf Brandes.
Frau Greil-Castro, Sie konzentrieren sich auf Crossover-Bonds. Was ist so spannend daran?
Es geht um Unternehmen, die von „BBB“-Investment-Grade auf „BB“-High-Yield herabgestuft werden. Wenn Firmen diese Grenze überschreiten, sind sie Fallen Angels. Doch wenn man sich das Risiko anschaut, dann sind die Abstufungen oft nicht gerechtfertigt. Das liegt auch an regulatorischen Vorgaben. In Deutschland dürfen viele Investoren nicht im High-Yield-Bereich investieren und müssen dann verkaufen.
Es bieten sich also gute Kaufgelegenheiten?
Wenn eine Firma von der ersten Ratingagentur herabgestuft wird, ist das eine gute Zeit für einen Kauf. Viele Investoren müssen dann Positionen abbauen. Es kommt natürlich darauf an, ob die Investoren nach dem niedrigsten, dem höchsten oder dem durchschnittlichen Rating vorgehen. Fällt die Firma ganz aus dem Investment-Grade-Segment, steigt der Verkaufsdruck weiter. Das sind auch technische Effekte. Zu beachten ist, dass eine solche Fallen-Angel-Firma bei den Investoren im High-Yield-Bereich gar nicht so bekannt ist. Wir sehen Fallen Angels als gute Chance, weil viele wieder in Investment-Grade-Bereich zurückkehren. Die meisten Firmen können auch ansteuern, wie das Rating ausfällt.
Wie kann eine Firma bestimmen, wie ihr Rating ausfällt?
Das ist in vielen Fällen möglich. Denn die Kapitalstruktur liegt im Ermessen des Unternehmens. Das betrifft insbesondere große Unternehmen, die einen starken Cash-flow aufweisen und natürlich entscheiden können, wie sie den Cash-flow investieren. Beispielsweise zum Schuldenabbau, damit lässt sich das Rating hochschrauben. Anders sieht es aus, wenn der Cash-flow investiert wird. Es gibt Firmen, die es kurzfristig hinnehmen, in den High-Yield-Bereich abgestuft zu werden, beispielsweise um eine Akquisition zu finanzieren.
Welche Rolle spielen Indizes?
Die sind sehr wichtig, denn in vielen Fällen wird ein Emittent nicht mehr als 3% Anteil am Index haben. Insofern müssen wir die Benchmark-Investoren im Auge behalten. Eine Herabstufung kann dazu führen, dass Investoren bestimmte Emittenten gar nicht mehr übergewichten können. Das hat Auswirkungen auf die Attraktivität von Titeln.
Wie sah der Grenzbereich in den vergangenen zwölf Monaten aus? Gab es Unterschiede zu anderen Krisen?
Nicht wirklich. Wie bei jeder externen Krise haben die Ratingagenturen auch im vergangenen Jahr mit dem Beginn der Pandemie sehr stark reagiert. Dort sitzen auch nur Menschen, die ebenso von der Coronakrise mitgerissen wurden. In solchen Phasen verliert man oft die Perspektive. Das Herabstufen geht relativ schnell, das haben wir auch im vergangenen Jahr gesehen. Anders als bei früheren Krisen ist das Heraufstufen diesmal besser gelaufen. Inzwischen haben wir schon wieder viel mehr Upgrades als Downgrades.
War die Krise interessant für Bondinvestoren?
Auf jeden Fall, wenn sie über die Liquidität verfügten, besonders natürlich in den zwei Wochen im März 2020, als der Markt ganz volatil war. Das war eine sehr schwierige Phase, in der auch die Bundesanleihen und US-Treasuries sehr volatil waren. Das ist normalerweise nicht der Fall. Ich fürchte leider, dass es wieder zu solchen Phasen kommen wird. Die Struktur des Bondmarktes hat sich grundlegend verändert, Banken haben sich als Marketmaker zurückgezogen und haben ihre Bilanz verringert. Andererseits ist der Bondmarkt extrem stark gewachsen. Wenn es zu Ausfällen und Schwankungen kommt, fehlt der Ausgleich mit den Banken. An dieser Stelle ist der Markt verwundbar.
Wie haben Sie in der Krise reagiert?
Wir haben gegen großen Druck von außen das Risiko unserer Strategie nicht verändert. Das wäre auch fatal gewesen, wenn man in die Krise hinein alles verkauft hätte. Natürlich mussten unsere Analysten alles überprüfen und beurteilen, ob man unter den neuen Gegebenheiten investiert sein will. Aber wir sind investiert geblieben. Der Markt hat sich dann auch schnell geöffnet und es sind viele Neuemissionen gekommen.
Wie sieht es aktuell aus?
Wir schauen auf High Yield und sehen, dass die Firmen in diesem Segment starke Liquidität kreiert haben. Der Markt ist offen. Wir werden den Bereich „BB“ aufstocken. Interessante Unternehmen finden wir in Sektoren, die vom Lockdown betroffen sind und von der Wiederöffnung profitieren. Außerdem ist die Zinskurve in den USA viel steiler als in Europa. Damit hat man im fünf- bis siebenjährigen Laufzeitenbereich einen Rolldown, den wir versuchen mitzunehmen.
Welche Akzente setzen Sie bei Branchen?
Wir setzten weiter stark auf Banken und Finanzdienstleister, die mehr als 40% des Portfolios ausmachen. Der Carry ist sehr interessant, ohne dass man ein großes Zinsrisiko hinnehmen muss.
Welche Renditen erwarten Sie?
Ich gehe nicht davon aus, dass es zu weiteren Spread-Einengungen kommen wird. Wir sind schon fast an dem Tiefpunkt. Kleine Veränderungen würden jetzt keine starken Auswirkungen mehr haben.
Werden die Ausfallraten steigen?
Die Ausfallraten sind überhaupt nicht stark nach oben gegangen und wir erwarten, dass es so bleibt. Momentan sind die Investoren anlagebereit. Wir sehen sehr viele Firmen neu auf den Markt kommen. Allerdings sind in den vergangenen Wochen einige Namen dabei, die auch mal daneben treten könnten.
Welchen Einfluss haben die Zentralbanken auf Ihre Strategie? Sind die Preise extrem verzerrt?
Auf jeden Fall. Die dauerhaft extrem expansive Geldpolitik bedeutet für uns Investoren ein ganz neues Denken. Ich halte es auch für problematisch, weil die Zentralbanken sich an unrealistischen Inflationszahlen orientieren. Es wird ein viel zu kleiner Korb verwendet und nicht das tatsächliche Leben gemessen.
Welche Rolle spielt ESG?
Das wird ein immer größeres Thema. Wir konzentrieren uns auf das Thema Klima, weil wir glauben, dass wir in dem Bereich viele Firmen mit einem Rating bekommen. Jenseits von Europa ist es oftmals der Fall, dass solche Daten von Unternehmen nicht verfügbar sind.
Sind Strategien mit ESG ausgezeichnet?
Nein. Wir sind der Meinung, dass wir uns das anhand der vorliegenden Daten nicht erlauben können. Daher sind die Strategien nach Artikel 6 der Offenlegungsverordnung ausgezeichnet. Wir arbeiten aber daran, dass auf Artikel 8 umzustellen. Entscheidend sind die Daten.
Das Interview führte