LeitartikelAnbiederung bei Trump

Amerikas CEOs als Fähnchen im Wind

US-Wirtschaftsköpfe leisten mit ihrem Einknicken vor Donald Trump einen Offenbarungseid: Sie führen nicht, sondern reagieren nur. Aktionären sollte das schwer zu denken geben.

Amerikas CEOs als Fähnchen im Wind

Trump

Amerikas CEOs als Fähnchen im Wind

Von Alex Wehnert

US-Wirtschaftsköpfe leisten mit ihrem Einknicken vor Donald Trump einen Offenbarungseid: Sie führen nicht, sondern reagieren nur.

Investoren sollten die Anbiederungsversuche von Amerikas Vorstandschefs bei Donald Trump eine Warnung sein. Reihenweise knicken CEOs dieser Tage vor dem designierten US-Präsidenten und seinem konservativen Lager ein, schon bevor dieser ins Weiße Haus zurückgekehrt ist. Die Entscheidung von Meta Platforms, es Trumps wichtigstem Unterstützer Elon Musk und dessen Kurznachrichtendienst X gleichzutun und ihre Content-Moderationspraktiken auf Facebook und Instagram abzuschaffen, stellt nur die Spitze des Eisbergs dar. In die Parade der Wirtschaftsköpfe, die in den vergangenen beiden Monaten nach Florida geeilt sind, um dem US-Wahlsieger auf seinem Anwesen Mar-a-Lago den Ring zu küssen, reiht sich auch Amazon-Gründer Jeff Bezos ein. Der Milliardär kippte im Wahlkampf in einem viel diskutierten Schritt Pläne der in seinem Besitz befindlichen „Washington Post“, die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris zu unterstützen, und lobte Trumps Pläne zu einer umfangreichen Deregulierung.

Engagement für Diversität auf dem Rückmarsch

Nun produziert der Amazon-Videodienst Prime eine Dokumentation über First Lady Melania Trump und ließ sich die Rechte wohl 40 Mill. Dollar kosten. Der Online-Riese spendete zudem 1 Mill. Dollar an das Amtseinführungskomitee des Präsidenten und befindet sich in bester Gesellschaft: Meta und Microsoft machten die gleiche Summe locker, während Apple-CEO Tim Cook und OpenAI-Chef Sam Altman ihre privaten Mittel anzapften. Alphabet-Lenker Sundar Pichai, dessen Konzern ebenfalls 1 Mill. Dollar überwies, eilte zudem nach Mar-a-Lago – und ließ sich nicht davon beirren, dass Trump in der Vergangenheit behauptete, die Google-Suchmaschine sei manipuliert, damit sie keine positiven Ergebnisse über ihn anzeige.

Zugleich beeilen sich US-Unternehmen, alles aus öffentlich einsehbaren Dokumenten und Werbungen zu streichen, was als „woke“ interpretiert werden könnte. Sie stampfen mehr und mehr für Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion (DEI) zuständige Abteilungen ein und ziehen ihre Unterstützung für entsprechend ausgerichtete Wohltätigkeitsorganisationen zurück. Dabei waren die Konzerne in ihrem Eifer, für soziale Gerechtigkeit einzutreten, kaum zu bremsen, als dies noch dem Zeitgeist entsprach. Ihre Beileidsbekundungen und Proteste anlässlich der Tötung des Afroamerikaners George Floyd durch einen weißen Polizisten im Jahr 2020 wirken angesichts ihres Einknickens vor Trumps reaktionären Positionen aus heutiger Sicht wie Lippenbekenntnisse in einer zynisch anmutenden Image-Kampagne.

Schockierendes Ausmaß der Anbiederung

Natürlich sind Unternehmen immer gezwungen, sich schnell auf ein verändertes politisches Umfeld einzustellen. Doch Schaden von der eigenen Firma abzuwenden bedeutet nicht, einen mit wachstumsfeindlichen Strafzöllen experimentierenden Mehrfach-Pleitier auch noch zu unterstützen – und damit dem Absturz Amerikas in eine Oligarchie Vorschub zu leisten, wovor Präsident Joe Biden in seiner Abschiedsrede am Mittwoch warnte. Das Ausmaß der Anbiederung beim Trump-Lager ist schockierend und sollte Aktionären der beteiligten Unternehmen schwer zu denken geben. Denn die CEOs leisten damit einen Offenbarungseid: Sie besitzen in schwierigen Phasen keine echte Führungskompetenz, sondern reagieren nur.

Noch deutlicher wird dies im Finanzsektor. Amerikas Banken, die sich in grellen Farben Nachhaltigkeit auf die Fahnen schrieben, als dies en vogue war, ziehen sich in Scharen aus Klima-Initiativen zurück. So hat die von den Vereinten Nationen unterstützte Net-Zero Banking Alliance mit J.P. Morgan, Bank of America, Citigroup, Wells Fargo, Goldman Sachs und Morgan Stanley binnen weniger Wochen die sechs führenden US-Geldhäuser und damit die Rückendeckung durch Assets von fast 15 Bill. Dollar verloren. Derweil steht die Net Zero Asset Managers Initiative bereits vor dem Aus, nachdem führende Vermögensverwalter um Blackrock ihr den Rücken gekehrt haben.

Wirtschaftsköpfe büßen Glaubwürdigkeit ein

Dass die Finanzriesen diese Entscheidungen nicht aufgrund langfristiger strategischer Überlegungen treffen oder ernsthaft planen, sich gezielter in anderen Nachhaltigkeitsinitiativen zu engagieren, liegt auf der Hand. Die wahren Auslöser ihres Rückzugs sind eine Anti-ESG-Kampagne rechter Gruppen in den USA sowie der Beginn der zweiten Präsidentschaft Trumps, der den wissenschaftlichen Konsens zum menschengemachten Klimawandel wiederholt als „Schwindel“ bezeichnet hat. Investoren müssen sich nun fragen, wie sehr sie CEOs noch vertrauen können, die ihr Fähnchen derart in den Wind hängen. Denn wer Nachhaltigkeit über Jahre als großes Zukunftsthema verkauft und dann beim ersten Widerstand einknickt, tut dies mit hoher Wahrscheinlichkeit auch beim nächsten vermeintlichen Megatrend. Zugleich sind die CEOs blind dafür, dass Trumps regulierungskritische Positionen rein opportunistisch motiviert sind. Einen treuen Partner gewinnen sie durch ihre Anbiederung nicht – büßen im Gegenzug aber ihre Glaubwürdigkeit ein.

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