Unicredit hat Commerzbank im VisierIm Blickfeld

Unicredit-Vorstoß schafft im Kampf gegen Geldwäsche neue Fronten

Sollte die Übernahme der Commerzbank durch Unicredit gelingen, so stände der Kampf gegen illegale Geldwäsche vor neuen Herausforderungen. Insbesondere die institutionellen Rahmenbedingungen weisen strukturelle Mängel in der Anzeige von Verdachtsfällen und Kapazitätsengpässe in der Strafverfolgung auf.

Unicredit-Vorstoß schafft im Kampf gegen Geldwäsche neue Fronten

Im Blickfeld

Unicredit-Vorstoß schafft im Kampf gegen Geldwäsche neue Fronten

Bei einer Übernahme der Commerzbank stünde die Prävention gegen derlei organisierte Kriminalität vor Herausforderungen

Von Gerhard Bläske, Mailand, und Stefan Kroneck, München

Mit der Digitalisierung und der Globalisierung sämtlicher Handels- und Finanzaktivitäten wird das Thema Geldwäsche immer wichtiger. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die EU intensivieren ihre Bemühungen, den Kampf gegen das „Waschen“ und Einschleusen illegaler Gelder wie z.B. aus dem Drogenhandel in den legalen Geldkreislauf des Finanzsektors zu erschweren.

Doch in der Gemeinschaft der 27 Mitgliedstaaten gibt es nach wie vor keine einheitliche Linie im Kampf gegen Geldwäsche. So sind die Obergrenzen für Bargeldzahlungen recht verschieden. In Deutschland sind es relativ hohe 10.000 Euro. In Italien waren es bislang 2.000 Euro. Allerdings setzte die rechtspopulistische Regierung unter Premierministerin Giorgia Meloni diese Schwelle auf 5.000 Euro herauf. Rom stemmte sich dadurch gegen den internationalen Trend.

Strukturelle Schwächen

In dieser schwierigen Gemengelage sorgt Unicredit für zusätzlichen Stress. Denn die Übernahmeavancen der italienischen Großbank in Richtung Commerzbank legen die Schwächen des gesamten Geldwäsche-Präventions- und Bekämpfungssystems in der europäischen Bankenunion offen. Sollte sich die Unicredit tatsächlich gegen die „Gelben“ durchsetzen und diese schlucken, wären radikale Anpassungen der für Geldwäsche zuständigen Behörden notwendig. Nur so könnte eine effiziente Strafverfolgung gegen diese Form der organisierten Kriminalität dauerhaft gelingen.

Die Verantwortung dafür tragen die Mitgliedstaaten der EU bzw. des Euroraums selbst. Schaffen die Gesetzgeber auf nationaler Ebene diese Basis nicht, trägt es dazu bei, das strukturelle Grundgerüst der ohnehin komplexen Bankenunion mit ihren Haftungsoptionen zu untergraben. Das schwächte zugleich die Rechtsstaatlichkeit in der EU. Die für Europa neu geschaffene Anti Money Laundering Authority (Amla) steckt noch in den Kinderschuhen und ist noch Lichtjahre davon entfernt, sich gegen die illegale Geldwäsche erfolgreich zu stemmen.

Kapazitäten unzureichend

Der Vorstoß von Unicredit-CEO Andrea Orcel ist, sofern er aus dessen Sicht erfolgreich endet, auch Neuland für das Thema Geldwäsche. Denn die erste grenzüberschreitende Fusion zweier großer Geldhäuser innerhalb der Bankenunion würde die Bekämpfung von Geldwäsche in eine neue Dimension heben. Eine Bank aus einem südeuropäischen Land mit hoher Staatsverschuldung würde künftig zwei der insgesamt drei größten deutschen Geschäftsbanken dominieren. Mit einer Bilanzsumme von 1,5 Bill. Euro käme Unicredit auf Augenhöhe mit der Deutschen Bank.

Die behördlichen Kapazitäten in den Staaten in der gesamten Breite reichen bei weitem nicht aus, um dauerhalft Rechtssicherheit und Rechtsfrieden auf diesem Feld zu gewährleisten. Insbesondere in Deutschland mangelt es an ausreichenden technischen und personellen Ressourcen, um die wachsende Herausforderung zu meistern. Hinzu kommt ein Chaos bei den Zuständigkeiten. Die deutsche Tugend der Gründlichkeit kehrt sich in ihr Gegenteil. Die Strafverfolgungsbehörden sind den Aufgaben strukturell gar nicht gewachsen. In Bezug auf die Aufsicht bzw. Kontrolle international tätiger Banken, die besonders im Fokus stehen, überschneiden sich zudem Verantwortlichkeiten der Behörden.

Nur schwer aufzudecken

Der weltweit bekannte Kriminologe Vincenzo Musacchio, ein Spezialist auf dem Gebiet der Geldwäsche, stellt fest, dass „die Geldwäsche weit verbreitet ist im Banken- und Finanzsektor und nur schwer aufzudecken ist, weil sie zunehmend grenzüberschreitend betrieben wird". Es bedürfe neuer Technologien zu Bekämpfung der Geldwäsche und strengerer Sanktionen, lautet sein Fazit. 

Durch Geldwäsche entstehe weltweit ein Schaden von etwa 3 Bill. Euro. Das entspräche bis zu 7% des globalen Bruttoinlandsprodukts. Mehr als hundert internationale Banken mit Geldflüssen von über 200 Mrd. Euro seien verwickelt. Musacchio zufolge sind neben Banken vor allem die Gastronomie, Restaurants, der Immobiliensektor, der Gebrauchtwagenhandel, das Glücksspiel und der Handel mit Kryptowährungen betroffen. Kriminelle Organisationen betrieben teilweise eigene Banken, über die sie illegal erwirtschaftete Gelder in das legale Finanzwesen schleusten.

Im Corruption Perception Index (CPI) von Transparency International steht Italien auf Platz 42 von 180 Ländern. Deutschland nimmt Rang 7 ein. Das bestätigt Vorurteile gegen Italien. Die Präsenz krimineller Organisation wie der sizilianischen Cosa Nostra, der neapolitanischen Camorra und der kalabrischen 'Ndrangheta ist der wesentliche Grund dafür, dass in der drittgrößten Volkswirtschaft der EU viel länger als z.B. in Deutschland entschlossen gegen Geldwäsche und Korruption vorgegangen wird.

Richtermorde brachten Umdenken

Die Ermordung der beiden Untersuchungsrichter Giovanni Falcone und Paolo Borselino 1992 bei Palermo durch die Mafia forcierte ein Umdenken. Es dauerte aber noch Jahre, bis sich das in neu geschaffenen Institutionen widerspiegelte. Erst seit 2017 gibt es einen landeseigenen Antikorruptionsplan.

Die OECD bescheinigte vor zwei Jahren Rom Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung, kritisierte aber den Personalmangel bei der Kontrolle und einen Rückstand in Bezug auf die Digitalisierung. Auf nationaler Ebene kümmern sich in Italien die Antikorruptionsbehörde Anac, das Wirtschafts- und Finanzministerium sowie die Banca d`Italia um Geldwäsche und Korruptionsbekämpfung. Eine eigene unabhängige Einheit innerhalb der Notenbank überprüft Arbeitsprozesse, analysiert, kontrolliert und verhängt Sanktionen. Diese stellte einen deutlichen Anstieg verdächtiger finanzieller Operationen vor allem im Norden des Landes fest. 2021 wuchs die Zahl der angezeigten verdächtigen Fälle um 23% auf 139.524. Zum Vergleich: in Deutschland waren es seinerzeit exakt 14.785 Sachverhalte, ein Zuwachs von nahezu einem Drittel. 2023 wuchs die Zahl auf fast 33.000.

Deutschland zweitwichtigstes Standbein

Deutschland gilt für die organisierte Kriminalität des Mezzogiorno als zweitwichtigstes Standbein nach dem Heimatland Italien. Die Mafiamorde von Duisburg 2007 rüttelten die deutsche Öffentlichkeit und die Strafverfolger endgültig wach. Bis dahin dachte man, dass die Mafia weit entfernt und nur eine Besonderheit Italiens sei. Das Bundeskriminalamt (BKA) bezifferte in ihrem zurückliegenden Lagebericht die Summe der ermittelten Geldwäscheoperationen in Deutschland auf 167 Mill. Euro (Stand 2023). 2022 waren es noch 1 Mrd. Euro.

Die Gründe für diesen drastischen Rückgang können vielfältig sein, darunter auch Fahndungserfolge des BKA. Aber auch behördliche Umstrukturierungen. So löste Berlin die für Geldwäsche zuständige Einheit aus dem BKA heraus und dockte diese beim Zoll an, die dort als Financial Intelligence Unit (FIU) arbeitet. Wie zu hören ist, soll auch die FIU unter Personalknappheit leiden bei der Bearbeitung von angezeigten Geldwäscheverdachtsfällen u.a. von Banken.

Mängel führten zu Geldbußen

Derweil stellt sich die EU bzw. die EZB bei der Geldwäsche-Bekämpfung neu auf. Bis die Amla voraussichtlich 2025 ihre Arbeit aufnimmt, liegt die Zuständigkeit für die Bearbeitung von Geldwäschethemen bei der jeweiligen nationalen Aufsichtsbehörde. Für Unicredit ist die Banca d`Italia zuständig, für die HVB ist es die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die Unicredit-Gruppe unterliegt der Aufsicht durch den einheitlichen Aufsichtsmechanismus der EZB, die für Institute mit einer Bilanzsumme ab 30 Mrd. Euro gilt.

Im Fall einer Übernahme der Commerzbank durch Unicredit würde die BaFin weiterhin über das „gelbe“ Kreditinstitut in Bezug auf Geldwäsche wachen. Unicredit nimmt für sich in Anspruch, sich nachdrücklich im Kampf gegen Finanzkriminalität zu engagieren. Dazu gehörten aktives Risikomanagement durch kontinuierliche Verbesserung des Anti-Geldwäsche-Programms sowie Compliance-Initiativen, die darauf abzielten, die Risikomanagementkultur zu fördern.

Die BaFin kontrolliert, ob Finanzdienstleister die strukturellen Voraussetzungen für Geldwäscheprävention erfüllen. Die zuletzt bei Neobanken festgestellten Mängel, die zu Geldbußen führten, lassen Zweifel aufkommen, ob manche Adressen überhaupt sich der Gefahr und der damit verbundenen Risiken bewusst sind.

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