„Nicht so weit, dass es wehtut“
Wolf Brandes.
Herr Pesarini, die Lockerungen der Corona-Einschränkungen schreiten voran, die Aussichten für die Konjunktur sind gut und die Geldpolitik ist expansiv. Wie beurteilen Sie die Chancen für Investments?
Dazu fällt mir „Tina“ ein – there is no alternative. Je länger wir mit Geld überflutete Märkte haben, desto weniger Alternativen gibt es zu Aktien. Wir sehen außerdem die Inflation, die einen gewaltigen Sprung gemacht hat. Wer sagt, das liege an Lieferengpässen oder anderen realwirtschaftlichen Faktoren, liegt falsch. Die Hauptursache ist die Geldmenge, die Inflation wird von Zentralbanken initiiert. Die Notenbanken lösen eine riesige Spekulationswelle aus, die nicht nur Aktien, sondern auch die Rohstoffmärkte erreicht hat. Wir stehen vor einer Blase. Mit erheblichen Folgen: Die Notierungen für Holz und Stahl explodieren, das führt zu starken Preissteigerungen im Bausektor, und am Ende werden die Mieten teurer.
Machen Ihnen die Schuldenberge Sorgen?
Die Reaktion der Staaten auf die Pandemie war übertrieben. Man hätte mildere Wege gehen können. Letztlich haben die Staaten versucht, die Krise durch die klassische Helikoptermethode zu bekämpfen.
Und die Schulden …
Die Schuldenberge haben mir schon immer Kopfschmerzen gemacht. Aber ich sehe keine gute Lösung, wie man aus dem Dilemma herauskommt. Diese riesigen Schuldenberge werden die Staaten nicht bei hohen Zinsen bedienen können. Sollten die Zinsen steigen, werden verschiedene europäische Staaten ausfallen. Insofern gibt es keine Alternative zu Niedrigzinsen. In der Geldpolitik wird man daher versuchen, einen milden Weg zu gehen und die Zinsen am kurzen Ende tief zu halten. Am langen Ende werden wir steigende Zinsen sehen.
Bis wohin geht das?
Nicht so weit, dass es wehtut. In Amerika bis zu 2% für zehnjährige Staatsanleihen, vielleicht bis 2,5%. In Europa ist die Schmerzgrenze schneller erreicht.
Was tun angesichts von Inflation und Schulden?
Die Staaten werden versuchen, sich über die Inflation zu entschulden. Bei 4% Inflation würde der Staat seine Last real in zehn Jahren um 40% verringern. Letztlich wäre das aber eine verkappte Steuer, die in Deutschland zu den Steuererhöhungen bei einem Wahlsieg der Grünen hinzukäme. Deshalb dürfen wir eine solche Inflation nicht zulassen, sondern müssen die Geldmenge reduzieren. Die Notenbanken müssen aufhören, Anleihen zu kaufen.
Ungeachtet der Lage können Sie in Ihrem Mischfonds nicht nur in Aktien investieren. Wo sehen Sie im Bondbereich noch Chancen?
Die Chancen sind so gut wie null. Wir fragen uns, ob es sinnvoll ist, Geld in einer mittelmäßigen Firmenanleihe zu investieren. Die Antwort lautet: Nein. 0,2 oder 0,3% sind einfach zu wenig. Im Ethna-Aktiv haben wir nur 30% Bonds, das meiste in US-Dollar mit einer relativ kurzen Restlaufzeit. Wenn, dann wählen wir sehr gute Namen und sichern das Dollar-Risiko ab. Unterm Strich bleibt eine leicht positive Rendite. Doch damit lässt sich kein Blumentopf gewinnen.
Wie sieht es aus mit Schwellenländeranleihen?
Nicht investiert. Renditen für Dollaranleihen in Emerging Markets sind inzwischen fast so tief wie in den USA. Wenn ich für – nur um ein theoretisches Beispiel zu machen – eine Anleihe eines Schwellenlandes mit sieben Jahren Laufzeit eine Rendite von 2,5% bekommen, was soll ich damit? Da kaufe ich lieber eine zehnjährige Alphabet-Anleihe, auch wenn diese zu einer Rendite von unter 2% notiert.
Was halten Sie von China-Bonds?
Wir konzentrieren uns bei den Investments auf den OECD-Raum. Daher sind wir dort nicht aktiv. Man braucht auch viel Expertise für Direktinvestments in China. Nehmen Sie zum Beispiel die drohende Insolvenz von Huarong Asset Management, einem staatsnahen Finanz- und Beteiligungskonzern. Das wäre so, als würde die KfW mitteilen, man habe sich entschieden, den Schuldendienst nicht zu bedienen.
Wenn Sie in der Asset-Allokation 30% in Anleihen haben, wie sind Sie sonst aufgestellt?
Wir haben die Aktienquote weiter hochgefahren und liegen mittlerweile bei etwa 43%. Damit sind wir nahe am Limit unserer Anlagerestriktionen von 49% Aktien. Abgesehen von Aktien gibt es kaum noch vernünftige oder gar attraktive Möglichkeiten zu investieren, Kasse ist nicht sinnvoll, aber letztendlich die einzige Alternative. Wir haben etwas Gold gekauft und könnten diese Position bis auf 10% aufstocken. Aber das ist kein Investmentthema, keine strategische Entscheidung, sondern eher eine Alternative zur Liquidität. Denn sollten Inflation und damit die Zinsen steigen, dann heißt es raus aus Gold. Das Edelmetall ist nicht mehr wie früher ein sicherer Hafen in Krisenzeiten. Gold ist eine normale Währung geworden, die wir dementsprechend einsetzen.
Wenn wir über alternative Devisen sprechen, denkt man schnell an Kryptowährungen und Bitcoin. Was halten Sie davon?
Wir dürfen aus rechtlichen Gründen nicht direkt in Bitcoin investieren, aber ich finde das Thema sehr interessant. Die Staaten versuchen, mit Gewalt eine teuflische Komponente in den Kryptowährungen zu sehen, weil das zum Teil außerhalb der regulierten Systeme stattfindet. Hinzu kommt Elon Musk, der ein schlechter Botschafter für diese Art von Investitionen ist. Aber besonders die Blockchain-Technologie halten wir für zukunftsträchtig.
Bei den Einzelwerten finden sich US-Technologieaktien wie Alphabet und Amazon. Warum?
Wir sind Asset Allocator und haben die Aktienquote hochgesetzt. Wir gehen aber davon aus, dass es langfristig schwierig ist, den S&P zu schlagen. Das ist auch ein Grund, warum wir im Ethna-Aktiv Alphabet und Amazon halten. Die haben einerseits ein stabiles Geschäftsmodell, aber sie sind auch mit einem sehr großen Anteil im Index vertreten. Damit sind wir nah am S&P500 investiert.
Bei der Gewichtung fällt auf, dass Sie Europa meiden. Warum?
Europa hat sich sehr gut entwickelt und insbesondere der Dax. Ich kann das nicht nachvollziehen – mit den Grünen vor der Tür. Es ist eine Art Euphorie, was den Euro und Deutschland angeht. Wir halten es mit den USA.
Welche Rolle spielen ESG-Kriterien bei Ihnen?
Ich befürworte den Trend zu Nachhaltigkeit, wenn man ihn vernünftig betreibt. Aber man sollte niemanden zu ESG zwingen. ESG darf keine Kampfansage sein.
Das Interview führte