LeitartikelEU-Strafzölle

Das China-Dilemma deutscher Autobauer

Strafzölle der EU gegen E-Auto-Importe aus China würden den deutschen Autobauern mehr schaden als nutzen. Mit Protektionismus ist Brüssel auf dem falschen Weg.

Das China-Dilemma deutscher Autobauer

EU-Strafzölle

Deutsche Autobauer im China-Dilemma

Von Stefan Kroneck

Strafzölle der EU gegen E-Auto-Importe aus China würden den deutschen Autobauern mehr schaden als nutzen.

Ursula von der Leyen zeigt Kante. Die EU-Kommissionspräsidentin inszeniert sich als Verteidigerin der europäischen Autoindustrie. Im Rahmen einer Antisubventionsuntersuchung droht die Spitzenpolitikerin aus Deutschland mit Strafzöllen gegen Autoimporte aus China. Die Chefin der Brüsseler Behörde reagiert auf eine sich abzeichnende Schwemme von Elektrofahrzeugen „Made in China“. Anders als zuvor beim European Chips Act mit einem offensiven Konzept zur Sicherung des EU-Halbleiterstandorts stemmt sich von der Leyen im Fall der Autobranche mit einer defensiven Industriestrategie gegen den stärker werdenden Wettbewerb aus der aufstrebenden zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. 

Diese Abwehrhaltung der Gemeinschaft ist auf den Aufstieg des Herausforderers aus Fernost zurückzuführen. Die Fakten sprechen für sich. Von den 2023 weltweit ausgelieferten rund 9 Millionen rein batterieelektrisch angetriebenen Autos entfielen über 5 Millionen auf China. Mit einem Marktanteil von nahezu 60% ist die asiatische Großmacht Marktführer im Elektroautosegment. Die EU folgt mit 2 Millionen auf Platz 2, die USA mit über 1 Million rangieren auf Platz 3.

Nachteile überwiegen

Die Hersteller aus dem Reich der Mitte schicken sich an, den Weltmarkt zu erobern. Dabei nimmt Europa für sie eine Schlüsselposition ein. Zwar kommen BYD & Co. in der EU bei Pkw-Neuzulassungen derzeit auf einen Marktanteil von nur 5%, Experten vom Center of Automotive Management rechnen aber damit, dass diese Quote in den nächsten Jahren sprunghaft wächst. Denn in der Entwicklung von modernen Fahrzeugen sind die Chinesen vielen westlichen Herstellern weit voraus. Das gilt nicht nur für die Batterietechnik, sondern vor allem für die Datenvernetzung der E-Autos. Peking förderte diese Entwicklung mit Milliardensummen. Diesen Wettbewerbsvorteil wollen die Adressen ausspielen.

Auf europäischer Seite bringt die Initiative der EU-Kommission insbesondere die deutschen Autobauer in ein Dilemma. Einerseits können erhöhte Einfuhrzölle gegen chinesische Fahrzeuge aufgrund ihrer abschreckenden, preistreibenden Wirkung dazu beitragen, eine starke Konkurrenz für BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen in deren Heimatregion auf Distanz zu halten. Andererseits wäre der Nutzen nur von kurzer Dauer. Auf lange Sicht würden die Nachteile deutlich überwiegen. Denn im Fall von Strafzöllen der EU könnte Peking womöglich Gegenmaßnahmen einleiten. Das träfe die Dax-Autokonzerne ins Mark.

Große Abhängigkeit

So ist China für die Geschäftsmodelle von BMW & Co. ein elementarer Baustein. Das Land ist für das Trio der größte Einzelmarkt. Bei BMW machte China im vergangenen Jahr 32% des Absatzes aus, bei VW waren es 35% und bei Mercedes-Benz Cars 36%. Die Medaille hat aber eine Kehrseite. Der hohe Anteil Chinas am geschäftlichen Erfolg birgt ein Klumpenrisiko. Bricht der Absatzmarkt China weg, kommen die Unternehmen ins Trudeln.

Aufgrund dieser großen Abhängigkeit verwundert es nicht, wenn die Chefs der Konzerne sich gegen Strafzölle positionieren. Das zeigten Ola Källenius von Mercedes-Benz, Oliver Zipse von BMW und Oliver Blume von VW auf den zurückliegenden Bilanzpressekonferenzen der Unternehmen. Sie sprachen sich unisono für freie Märkte und für einen freien Wettbewerb aus. 

Zeichen von Schwäche

Protektionismus ist kontraproduktiv. Ein offener Handelskrieg der EU mit China würde nur Verlierer hervorbringen. In der schwierigen Transformation zur Elektromobilität würde das die Adressen aus München, Stuttgart und Wolfsburg zurückwerfen. Den Schaden hätten sie zu tragen.

In dieser komplexen Gemengelage wäre es für von der Leyen sinnvoller, ihre Drohgebärden zu überdenken. Eine strukturierte Industriepolitik der EU in Bezug auf die Elektromobilität, die die europäische Autobranche in der Breite einbezieht, brächte bessere Resultate im Wettstreit um Marktanteile. Auf diesem Feld besteht dringender Nachholbedarf. Strafzölle sind hingegen ein Zeichen von Schwäche.

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