Staatsschulden werden zur Belastungsprobe für die Bondmärkte
Staatsschulden werden zur Belastungsprobe für Bondmärkte
Die ausufernden Staatsschulden könnten zum zentralen Thema für die Bondmärkte 2025 werden. Es stellt sich die Frage, wie viel der Bondmarkt noch absorbieren kann.
Von Kai Johannsen, Frankfurt
Ein zentrales Thema für die internationalen Bondmärkte im Jahr 2025 werden die in vielen Ländern steigenden Haushaltsdefizite, die immer stärker ausufernde Staatsverschuldung und damit die Schuldentragfähigkeit sowie das aufkommende Angebot an Staatsanleihen sein. Denn Anleger sorgen sich immer mehr, dass die Anleihemärkte, allen voran die Staatsanleihemärkte, dieses Angebot an Staatspapieren schlichtweg nicht mehr absorbieren können oder eben nur noch zu womöglich deutlich höheren Renditen bereit sein werden, das Risiko der Kreditvergabe an öffentliche Haushalte zu tragen.
So warnte im Dezember bereits die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) davor, dass die überbordende Staatsverschuldung sogar die Gefahr einer Destabilisierung der Finanzmärkte mit sich bringt. Claudio Borio, Leiter der Währungs- und Wirtschaftsabteilung der BIZ, erklärte, er sei auf der Hut vor einer Schwemme von Staatsschulden, die den Anleihemarkt ruinieren und auch auf andere Assets übergreifen könnte.
Trend weist nach oben
Und das Thema Schuldentragfähigkeit könnte nicht nur 2025 Gesprächsstoff bringen. Denn die Staatsschulden dürften auch in den Jahren danach weiter zulegen. Die Haushaltsdefizite der Regierung vieler Länder deuten laut Institute of International Finance (IIF) darauf hin, dass die Staatsverschuldung bis zum Jahr 2028 um ein Drittel auf 130 Bill. Dollar ansteigen könnte.
Und der erste große Assetmanager – der Bondgigant Pimco – hat bereits erklärt, dass er sich etwa aus den US-Staatsanleihen zurückziehen wird. „Wir sind zurückhaltender geworden, längerfristige Kredite zu vergeben, angesichts der Fragen zur Schuldentragfähigkeit der USA und möglicher Inflationskatalysatoren wie Zölle und die Auswirkungen von Einwanderungsbeschränkungen auf den Arbeitsmarkt", erklärten Marc Seidner, Chief Investment Officer für nicht-traditionelle Strategien, und Pramol Dhawan, Portfoliomanager bei Pimco. Der Vermögensverwalter will nun eine stärkere Diversifikation außerhalb der USA vornehmen. Pimco beurteilt die Perspektiven für langlaufende US-Treasuries angesichts der sich verschlechternden Haushaltslage kritisch.
Sollten diesem Beispiel andere Vermögensverwalter folgen, könnte der Abbau von Bond-Positionen die Renditen der US-Treasuries nach oben treiben und damit den Zinsdienst der USA erhöhen, was wiederum die Frage nach der Schuldentragfähigkeit aufwirft. Der US-Staatsanleihemarkt ist derzeit rund 28 Bill. Dollar schwer, d.h. er gilt als ausreichend liquide, so dass es bei einem Rückzug von einigen Adressen sicher nicht zu einem plötzlichen, rasanten Renditeanstieg kommen sollte. Offen bleibt damit aber die Frage, ab wann das dann doch eintreten könnte und es zu Verwerfungen auf den Märkten kommt, die andere Segmente in Mitleidenschaft ziehen. Zu denken ist in diesem Zusammenhang an den SSA-Markt (Supranationals, Sub-Sovereigns und Agencies) und auch Unternehmensanleihen.
Es muss aber noch ein weiterer Aspekt ins Kalkül gezogen werden. Nach jahrelangen Mega-Bondkäufen im Zuge der Krisenprogramme fällt nun ein großer Bondkäufer am Markt einfach weg: Die Europäische Zentralbank (EZB). „Was das Quantitative Tightening betrifft, so wird die EZB ab Januar alle Reinvestitionen einstellen, was zu einer Reduzierung ihrer Anleihebestände um etwa 40 Mrd. Euro pro Monat führen dürfte. Da der Bilanzabbau auf Autopilot läuft, scheint die Messlatte für Änderungen hoch zu liegen“, hält etwa Christoph Rieger, Leiter des Zins- und Credit-Research der Commerzbank, fest. Die Fed dürfte ihren Bilanzabbau (Quantitative Tightening) im kommenden Jahr einstellen.
EZB senkt weiter
Sollte die Absorptionsfähigkeit des Anleihemarktes für neue Bonds zu einem zentralen Thema werden, stellt sich auch die Frage, wie sich die weitere Zinspolitik von EZB und Fed 2025 gestalten wird. „Sowohl EZB als auch Fed dürften 2025 ihre Zinsen weiter senken. Mit der schwachen Wachstumsdynamik, zusätzlichen Risiken für den Handel durch US-Zölle und bei vorerst weiter rückläufigen Inflationsraten im Euroraum dürfte die EZB die Zinsen bis Juni auf jeder Sitzung jeweils um 25 Basispunkte senken“, sagt Rieger der Börsen-Zeitung. Da sich das Wachstum während des Jahres stabilisieren und die Inflation wieder anziehen dürfte, geht er davon aus, dass die EZB die Zinsen nach Juni bei 2% halten wird. Ein weiteres Absenken des Einlagensatzes hält er aufgrund struktureller Inflationsprobleme für unwahrscheinlich. Die Fed dürfte laut Rieger die Zinsen nur noch zwei Mal senken, um jeweils 25 Basispunkte bis auf 4%, da sich der Arbeitsmarkt widerstandsfähiger präsentiere und die von Trump angekündigten Zölle die US-Inflation wieder anheizen dürften. Vor diesem Hintergrund sieht er keinen allzu großen Abwärtsspielraum bei der zehnjährigen Bundrendite. „Ich gehe davon aus, dass sich die zehnjährige Bundrendite in einer Bandbreite von 2% bis 2.5% bewegen wird, zunächst am unteren Ende, im späteren Jahresverlauf am oberen Ende der Bandbreite“, sagt der Experte.
Die Menge an Anleihen, die der Markt aufnehmen kann, hängt für Christian Keller, Head of Economis Research bei Barclays, vor allem davon ab, inwieweit die Märkte glauben, dass die Leitzinsen in Zukunft fallen werden. „Es ist damit also auch eine Frage der Erwartungen hinsichtlich des Inflationspfades. Sollte die Inflation hartnäckig bleiben und es der EZB nicht erlauben, die Zinsen weiter zu senken, würde dies also eine geringere Absorptionskapazität bedeuten als ein Szenario, in dem die Inflation im Euroraum dauerhaft wieder unter das 2%-Ziel fallen könnte und die EZB die Zinsen weit unter ihren neutralen Zinssatz senken muss“, sagt er dieser Zeitung. Er geht derzeit davon aus, dass der Einlagensatz der EZB bis Ende 2025 auf 1,5% gesenkt wird, was im Prinzip eine größere Emissionstätigkeit erleichtern sollte. Der Markt werde jedoch wahrscheinlich differenzieren. „So könnten Emittenten mit größeren fiskalischen Herausforderungen wie z. B. Frankreich und Belgien sicherlich einem größeren Druck auf ihre Renditen ausgesetzt sein als Emittenten mit solideren Finanzen wie z. B. Deutschland und Finnland“, sagt Keller.
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