Im BlickfeldAktien vor den Wahl

Aktionäre hoffen bei MDax- und SDax-Werten auf eine neue Agenda 2010

Die deutsche Wirtschaft schwächelt, was die im MDax und SDax vertretenen Aktien belastet. Diese sind niedrig bewertet und würden von Steuersenkungen mit einem signifikanten Gewinnplus profitieren.

Aktionäre hoffen bei MDax- und SDax-Werten auf eine neue Agenda 2010

Aktionäre hoffen bei Nebenwerten auf eine neue Agenda 2010

Die deutsche Wirtschaft schwächelt, was die im MDax und SDax vertretenen Aktien belastet. Diese sind niedrig bewertet und würden von Steuersenkungen deutlich profitieren.

Von Werner Rüppel, Frankfurt

Die deutsche Wirtschaft liegt danieder. Der Kanzler – damals wie heute ein SPD-Politiker – erkennt, dass etwas passieren muss und krempelt die Ärmel hoch. Beschlossen werden u.a. Steuersenkungen und grundlegende Reformmaßnahmen am Arbeitsmarkt. Auch die mitregierende grüne Partei stimmt dem zu. Die Analysten und Volkswirte zweifeln erst, empfehlen aber deutsche Aktien zum Kauf, nachdem deutlich wird, dass in Deutschland wirklich etwas passiert. „Buy Germany“, so lautet der Ratschlag. Die deutsche Wirtschaft wächst wieder und deutsche Aktien erzielen tatsächlich eine deutliche Outperformance gegenüber US-Titeln.

Das ist kein Märchen, sondern das war die Agenda 2010, die zu Beginn des Jahrtausends unter Kanzler Gerhard Schröder beschlossen wurde. Diese Reform stellt aus Sicht vieler Experten praktisch eine Blaupause für die Gesundung der schwächelnden deutschen Wirtschaft dar. Heute gilt Deutschland (erneut) als der „kranke Mann Europas“, die Ampel-Regierung ist gescheitert, am 23. Februar sind Neuwahlen zum Bundestag, und darauf ruhen nun die Hoffnungen der Anleger. „Die kommenden Wahlen bieten die Chance, das Land neu auszurichten und den Reformstau aufzulösen“, erklärt Olgerd Eichler, Fondsmanager bei MainFirst. „Eine neue Regierung könnte die nötigen Veränderungen in den Bereichen Digitalisierung, Bürokratie vorantreiben.“ Dafür brauche es aber klare Ziele, mutige Entscheidungen und eine zielgerichtete Wirtschaftspolitik.

Dax kaum betroffen

Wichtig wäre eine neue Agenda 2010, eine Agenda 2030, welche die heimische Volkswirtschaft wieder auf Wachstumskurs bringt und die Unternehmen stärkt, vor allem für kleinere und mittelgroße Unternehmen. Die deutsche Wirtschaft hat zuletzt den Rückwärtsgang eingeschaltet und die Zahl der Insolvenzen steigt. Bei den Dax-Unternehmen schlägt sich die heimische Konjunktur weniger nieder. Firmen wie SAP. Siemens, Deutsche Telekom, Allianz, Airbus oder Münchener Rück sind global agierende Konzerne. So erzielen die Dax-Werte rund 80% ihrer Erlöse im Ausland. Sie profitieren von einer Weltwirtschaft, die sich stärker entwickelt als Deutschland und auch Europa, namentlich in den USA, wo Präsident Trump das Ruder übernommen hat und mit Steuersenkungen und Deregulierung Wachstumsimpulse angekündigt hat. Auch können Dax-Konzerne Arbeitsplätze und Produktionsstätten ins Ausland verlagern, und machen das auch, wenn Deutschland zu teuer oder zu bürokratisch ist.

Am Aktienmarkt schlägt die wirtschaftliche Schwäche Deutschlands daher vor allem bei den in MDax und SDax vertretenen Titel aus der zweiten oder dritten Reihe durch. Dies zeigt sich auch die Wertentwicklung der vergangenen Jahre. So hat der Dax seit Anfang 2021 um mehr als 40% zugelegt und liegt auf Rekordniveau, während MDax und SDax sich im selben Zeitraum sogar ermäßigt haben. Nach Meinung von Eichlers bieten viele der kleinen und mittelgroße Unternehmen großes Aufholpotenzial: „Die niedrigen Bewertungen dieser Titel sprechen für besonders großes Kurspotenzial.“ Käme es zu einer neuerlichen Wachstumsagenda in Deutschland mit niedrigeren Steuern, weniger Bürokratie und strukturellen Reformen, käme dies natürlich auch den Dax-Werten zugute. Aber eben in geringerem Ausmaß als den Titeln aus der zweiten und dritten Reihe.

Volkswirte skeptisch

Allerdings sind doch etliche Volkswirte und Marktstrategen skeptisch, ob nach der Wahl wirklich zündende Reformen in Deutschland beschlossen werden. Dies liegt natürlich mit an den Mehrverhältnissen, die sich aktuell aufgrund Meinungsumfragen andeuten. Eine Regierungsbildung dürfte demnach schwierig werden.

Aktuell sieht es so aus, dass die CDU/CSU zwar die stärkste Partei werden dürfte, dass aber ein Kanzler Friedrich Merz nur in einer Koalition über eine Mehrheit der Abgeordneten im Parlament verfügen würde. Für eine mögliche Zweiparteien-Konstellation aus CDU und Grünen oder CDU und SPD könnte es eng werden, falls eine oder mehrere der genannten Parteien bis zur Wahl zurückfallen sollten, die AfD noch stärker als bisher erwartet zulegt und je nachdem, welche Parteien überhaupt die 5-Prozenthürde nehmen.

Glaubwürdigkeit fehlt

„Wir rechnen im Zuge der Neuwahlen am ehesten mit einer moderaten Unterstützung für die Konjunktur in den nächsten zwei Jahren, unter anderem durch eine Lockerung der Schuldenbremse“, sagt Felix Hüfner, UBS-Chefvolkswirt für Deutschland. „Die strukturellen Gegenwinde – Alterung der Bevölkerung und Wettbewerb durch China – dürften bestehen bleiben und das langfristige Wachstum weiter bremsen.“ Die Wahrscheinlichkeit für einen Wachstums-Boom nach der Wahl taxiert die UBS nur mit 15%.

„Stagnation und Deindustrialisierung spiegeln die aktuelle Entwicklung wider und kein dringend benötigter Anstieg des Potenzialwachstums“, erklärt Klaus Bauknecht, Chefvolkswirt der IKB. „Weder die erwartete moderate Konjunkturbelebung im Jahr 2025 noch einzelne Vorschläge würden kurzfristig etwas bewegen.“ Denn die Stimmung in der Wirtschaft sei chronisch schlecht, und es fehle an Glaubwürdigkeit hinsichtlich des Industriestandorts Deutschland.

Steuern im Fokus

Schaut man sich die Wahlprogramme der Parteien näher an, so tauchen da sehr wohl Aspekte auf, die nach Meinung von Volkswirten die Rahmenbedingungen für die deutsche Wirtschaft verbessern würden, und die den im MDax und SDax vertretenen Unternehmen zugutekommen sollten. „Wir senken die Unternehmenssteuerbelastung auf maximal 25%, schaffen den Rest-Soli ab und verbessern Abschreibungen und Verlustverrechnung“, so zum Beispiel das Wahlprogramm der CDU/CSU. Darüber hinaus will die Union Stromsteuer und die Netzentgelte senken. Auch die FDP will die Unternehmenssteuern auf unter 25% senken und Abschreibungen verbessern. Und auch die AfD, mit der aber keine der anderen Parteien zusammenarbeiten möchte, plant eine Senkung der Unternehmenssteuern auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau.

Nun hätte eine permanente Reduzierung der Rate der Körperschaftsteuer um fünf Prozentpunkte eine durchaus signifikante Wirkung, Nach Berechnungen von Analyst Gerry Fowler von der UBS würde diese Maßnahme die Gewinne nach Steuern in Deutschland um etwa 7% heben (auf Basis einer Ebit-Marge von 10%). Dies würde also den in Deutschland tätigen Small und Mid Caps zugutekommen.

„Ein von vielen Ökonomen favorisiertes Bündnis aus Union und FDP hat nach derzeitigen Umfragen keine Chance auf eine Regierungsmehrheit“, meint Carsten Klude, Chefvolkswirt von M.M. Warburg. Auch habe die CSU eine Koalition mit den Grünen ausgeschlossen. „Dann bliebe nur noch eine Neuauflage der Großen Koalition aus Union und SPD, da alle Parteien eine Koalition mit der AfD ablehnen. Mit einer GroKo würde aber kaum jemand Aufbruch und Reformen verbinden.“

SPD setzt auf den Staat

Im Gegensatz zu CDU/CSU und FDP, welche vor allem die Rahmenbedingungen verbessern wollen, setzen SPD und Grüne stärker auf Investitionsstimulierung durch staatliche Programme. Die SPD möchte einen Deutschlandfonds schaffen, „der öffentliches und privates Kapital mobilisiert, um die wichtigsten Investitionsbedarfe erfüllen zu können." Dieser soll anfangs mit 100 Mrd. Euro ausgestattet sein. Auch die Energiepreise will die SPD senken.

„Auch wenn die SPD sowie die Grünen Steueranreize schaffen wollen, bleibt die Glaubwürdigkeit über langfristige attraktive Renditen privater Investitionen fraglich“, sagt IKB-Chefvolkswirt Bauknecht. „Denn ihr verstärkter Fokus auf Verteilungsziele wird den Druck auf staatliche Ausgaben und damit auch notwendige Steuereinnahmen hochhalten. Eine nachhaltige und damit glaubwürdige Steuerentlastung fängt deshalb bei der Ausgabenpolitik an." Fairerweise sei festzuhalten, dass sich höhere Ausgaben in Wahlkämpfen besser verkaufen ließen als Kürzungen. Dies gelte für alle Parteien, aber insbesondere für diejenigen, die sich auf Verteilungsziele fokussierten.

CDU-Programm positiv beurteilt

Nach Meinung von Bauknecht könnte vor allem das CDU-Programm das Wachstum der deutschen Volkswirtschaft befördern. Denn dieses würde die Rahmenbedingungen verbessern. Neben „mehr Markt“ und einer Senkung der Unternehmenssteuern lege die CDU Wert auf Anreize, die das Potenzialwachstum erhöhen und Lohnkosten senken sollen. „Diese würden die Renditeaussichten für den Standort Deutschland grundsätzlich glaubwürdig verbessern“, meint Bauknecht. „Ein Beispiel hierfür sind die Arbeitsmarktreformen der Schröder-Agenda-2010. Als Folge dieser Reformen hatte sich der Arbeitsnehmerentgeltanteil am Volkseinkommen reduziert, was einer Renditeverbesserung gleichkam und am Standort Deutschland wurde bis zur Finanzkrise spürbar mehr investiert." Allerdings sei das Investitionsverhalten bereits vor den Reformen dynamischer als seit 2018 gewesen.

Ob nach den Wahlen eine Agenda 2030, wie sie Union-Kanzlerkandidat Merz fordert, gelingt, bleibt angesichts der Mehrheitsverhältnisse und wahrscheinlich schwierig verlaufenden Koalitionsverhandlungen fraglich. Doch stellt sich das Chance-Risiko-Verhältnis für im MDax und SDax engagierte Anleger als durchaus günstig dar. Denn die Erwartungen der Märkte an Deutschland sind doch eher gering.

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